„Wenn jemand zu faul oder zu dumm ist, wird er Journalist.“
Viele Grüße erreichten mich in den vergangenen zwei Wochen, per E-Mail, die meisten per SMS, einige auch via Messenger im Gesichtsbuch. Aber dieser eine Gruß war ja wohl die Krönung. Hätte ihn nicht der wohl sympathischste Mensch der Welt abgeschickt, wäre ich ein wenig angezickt gewesen. Smileys und Augenzwinkern relativierten den Satz dann zumindest noch.
Wir Vertreter der schreibenden Zunft gehören zu den unbeliebtesten Berufsständen der Bunten Republik Deutschlands. Reihen uns ein in die Liga der Versicherungsvertreter, Straßenkehrer, Landwirte und Bankkaufleute.
In der Tat ist es so, dass die Reaktionen auf meinen Beruf eher gespalten sind: „Kann man davon leben?“ „Ich könnte mir nicht vorstellen, SO eine Arbeit zu machen!“ bis hin zu „Oh, genial!“ So richtig verstehe ich gar nicht, was daran so schlimm sein kann, Journalist zu sein. Für mich kann ich nur feststellen, dass es mein Traumberuf ist. Nach einer Beamtenausbildung konnte ich mir nicht vorstellen, eines Tages einfach nur umgebettet zu werden. Aufstiegschancen aufgrund von Lebensalter und Dienstalter? Kinder, Kochen und Küchentratsch? Was für ein Alptraum! Lange Schleifen habe ich in meinem Leben gezogen, bis ich da ankam, wo ich jetzt bin. Und weil ich nicht angekommen bin, ist es ein Traum! Ein Widerspruch in sich? Nein! Wer als Journalist nämlich ankommt, ist am Ende und kann seinen Beruf an den Nagel hängen. Journalist zu sein heißt neugierig bleiben, die Augen offen halten. Menschen spannend zu finden. Sich immer wieder auf neue Situationen einstellen. Sich auch mit Dingen beschäftigen müssen, die einen nicht gerade brennend interessieren. Hochspannende und emotionale Themen immer noch mit einem kühlen Kopf anpacken können … Welcher Beruf ist so abwechslungsreich? Aufregend? Fordernd und Fördernd? Ich habe freiwillig ein sicheres, gutes Einkommen, geregelte Arbeitszeiten und eine gute Altersvorsorge gegen Unsicherheit eingetauscht und dies nicht eine Sekunde bereut. Weil ich mit Herz und Seele und Leidenschaft dabei bin. Faulheit kann man sich nicht leisten. Dummheit schon gar nicht …
Warum ist der Ruf der schreibenden Zunft so berüchtigt? Sind es die investigativen Journalisten, die ohne Respekt vor der Menschlichkeit und auf der Jagd nach Storys den Anstand vermissen lassen? Mag sein, dass es selbige gibt. Und wenn sich ein als Priester verkleideter Journalist auf die Intensivstation schleicht, um Michael Schumacher auf die Pelle zu rücken, dann steht es überall geschrieben. 150 Journalisten aus aller Welt richten sich aktuell häuslich auf dem Parkplatz vor der Klinik in Grenoble ein und denken nicht daran, den Wunsch einer Familie nach Ruhe und Rückzug zu respektieren … Solche Nestbeschmutzer versauen den Ruf einer ganzen Zunft. Das macht mich richtig wütend. Denn darüber steht wieder mal geschrieben. Es macht ja auch keinen Sinn über den Rest der Zunft zu schreiben, der sich respektvoll zurückhält. Wer will das schon lesen?
Liebe Leser, auch Ihr entscheidet mit, ob ihr Geschichten, Interviews und Reportagen lesen wollt. Oder ob ihr die Skandalschundblätter kauft! Die Leser entscheiden darüber, ob sie den Liveticker brauchen, der zum x-ten Male wiederholt, dass es Michael Schumacher unverändert schlecht geht, mit Tendenz zur Besserung bei anhaltender Lebensgefahr …
Gebt dem hochwertigen Journalismus eine Chance. Zeitungen, die Handwerkskunst widerspiegeln. Die mit Leidenschaft geschrieben sind und nicht eine Ansammlung von gedruckten Pressemitteilungen über Werbeanzeigen.
Einen gesunden, erfolgreichen und glücklichen Start in ein neues Jahr, voller
Sonne im Herzen