Nachdem zu vermuten ist, dass die anderen acht Teilnehmer der Reise ein rein sachliches Fazit auf Basis der Projekte ziehen, wage ich mal die eher emotionale Beleuchtung dieser Reise:
Zwei Wochen vor der Abreise blieb genug Zeit, um sich gepflegt jeck zu machen. Insbesondere als Frau. Während der Mann in seinen besten Anzug schlüpft, blieb für mich als Frau tagelang die Frage im Raum: Was ziehe ich an? Sonst nicht so präsent, aber die Indizien deuteten mehr als darauf hin, dass ich zumindest in Riyadh besser die Abaya trage. Andrea Dennes briefte mich (und uns) geduldig und auch der Kontakt zu einer deutschen Familie in Saudi-Arabien half ein wenig. Lange Kleidung, gedeckte Farben, bloß nicht in rot, Tattoo abdecken, nicht zu lange in die Augen schauen, eher nicht die Hand geben… viele Regeln erfuhr ich. Letztendlich kann frau es wohl nur auf sich zukommen lassen und das war auch gut so. Das erste Kennenlernen in Frankfurt war vielversprechend. Durchweg sympathisch erschien die Delegation, vereinzelt kannte man sich.
Schon auf dem Flug beruhigte sich das Herz. Reichlich Platz zum Ausbreiten, leckeres Essen, erste Gespräche untereinander und ein erster saudischer Eindruck von der Crew – sehr aufgeschlossen und herzlich. Sanfte Landung um Mitternacht, langes Warten auf die Visa für fünf Mitreisende. Ebenso der Empfang am Zoll. Ein überaus herzlicher Empfang durch eine Frau und die Bitte, beim Foto für die Einreise zu lächeln.
Riyadh
Dem nächsten Morgen gehörte nach kurzem Schlaf noch einmal die eigene Verunsicherung: Was ziehe ich an, glitzern die Schuhe zu wenig klassisch, ist das Make-up ok, schüttele ich eine Männerhand…? Noch immer fühle ich nicht, wie frei ich mich hier fühlen kann. Das ändert sich rasch, denn Mohammad und Majed geben mir selbstverständlich die Hand. In den Großraumbüros sitzen viele Frauen, auf den Gängen und in Besprechungsräumen schwatzen sie. Unterschiedlich verschleiert, aber auch mit offenen Haaren. Überaus liebenswert, fast besorgt, ich könnte mich verlaufen, geleitet mich eine der Frauen ins Bad.
Den Abend verbringen wir im „Najd Palace“, einer Art alten Karawanserei, ausgelegt mit Teppichen, sitzt man schuhlos auf dünnen Bodenmatten. Satte 31 Teller, Reis, Gemüse, Fleisch, Milchreis, Teigtaschen, Fladenbrot, Zimtbrot… überaus köstlich. Und dazu eine entspannte Stimmung mit acht wunderbaren Menschen. Gelacht, gelästert, geschlemmt… einfach genossen. Das erste Mal der Gedanke, dass es unvorstellbar scheint, sich nicht wiederzusehen. Der Abend wird lang, das Protokoll ruft, satte zwei Tage lang bärmelt es um Aufmerksamkeit.
Sechs Uhr ist die Nachtruhe vorbei. Checkout im Hotel, ausnahmsweise bei einem Saudi. Mehrheitlich scheinen Pakistani und Südostasiaten die Arbeit zu stemmen. Sein Abschied ging zu Herzen. Auf meine Schwärmerei für dieses überraschend wunderschöne Land kam die Bitte, ich möge bald wiederkommen und es bitte weitererzählen. Aber gerne doch!
Jeddah
Wärmer und das Tor nach Mekka, zumindest für die vielen mitreisenden Pilgerer. Das Hotel direkt am Meer ist ein Traum, leider bleibt viel zu wenig Zeit zum Genießen. Auch hier – die Menschen mit einer natürlichen, liebenswürdigen Herzlichkeit, die unglaublich berührt. Fast beschämt. Empfangen wir unsere Gäste ebenso? Ein Cafe ist Meeresnähe beeindruckt noch einmal ganz besonders: ein einheimisches Cafe mit Rösterei, das so auch in jeder Großstadt der Welt zu finden sein könnte. Aber welche Schranke in meinem Hirn suggerierte, dass es in Saudi-Arabien nicht möglich sein soll? Da landen wir, zwischen jungen Saudis, die hier beisammen sitzen, auch Männer und Frauen. Und staunen. Kopftücher nehme ich sowieso schon nicht mehr wahr. Sehr wohl aber die unglaublich entspannte Stimmung, lockere Gespräche. Eine unfassbar herzliche und liebenswerte junge Frau begrüßt uns in perfektem Englisch und einem Charme, der sogar mich als Frau fesselt. Der Kaffee kommt frisch aus der hauseigenen Rösterei und ein Schluck offenbart augenblicklich Qualität auf noch nie genossenem Niveau. Die Golden Almond Milk mit Zimt, Tamarinde, Ingwer, Pfeffer und Curcuma wird Zuhause bereits einen Tag nach der Landung nachgekocht.
Der letzten Abend verbringen wir gemeinsam in der „Shrimp Zone“. Einem eher kühl anmutenden Bistro mit viel zu viel Plaste, überall. Nicht gerade nachhaltig… aber es hat Gründe: Garnelen, Krabben, Hühnchen und Co werden gekocht oder frittiert und in Saucen mit einem Maiskolben in einer Tüte mariniert und landen so auf dem Tisch. Dazu Pommes und Tintenfischringe, Saucen von scharf bis Lemon zum Dippen. Mit Einheimischen hier zu speisen ist eine wahre Freude, einfach mittendrin.
Der restliche Abend, naja, die Nacht, gehört dem Protokoll. Bis früh um drei. Dazwischen zum Glück nochmal Zeit zum Schwatzen. Die Nacht wird kurz, der Muezzin weckt und die Stimmung nachts auf dem Balkon mit Blick über die Stadt ist atemberaubend: Mehrstimmung hallen die Rufe durch die Nacht. Gänsehaut trotz Wärme und immer wieder der Gedanke – wie surreal das alles hier scheint.
Fazit
Vier unfassbar schöne, anstrengende und bewegende Tage liegen hinter mir. Ich hielt mich für einen weitgereisten Menschen nahezu ohne Vorurteile und musste erkennen, dass auch ich nicht frei davon bin. Die Chance, die dieses Land bot, erlebte ich auf keinem meiner Reisen. Weil es eine verschlossene Welt war, die sich nun öffnet. Schneller, als ich es selber ahnte. Saudi-Arabien hat mein Herz berührt. Kurze Begegnungen machen so unglaublich neugierig auf dieses Land und wunderbare Menschen. Unvorstellbar scheint, Saudi-Arabien nicht wieder zu sehen. Kaum war ich gelandet, erntete ich von nordafrikanischen Freunden bitterste Kritik, Anfeindungen, wie ich es wagen könnte… Und ich wage es: Es geht nämlich nicht darum, einem Land, indem sicher nicht alles ideal läuft, Rechtfertigungen oder Ausreden zu liefern. Es geht darum, eine Hand vor allem denjenigen zu reichen, die sie ausstrecken. Förmlich darum bitten, positive Eindrücke nach außen zu tragen. Brücken zu bauen, statt Mauern zu errichten. Selbstverständlich gäbe es reichlich negatives zu finden. Aber diese Berichterstattung überlasse ich den passenden Medien, ggf. auch den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. Denn viel lieber würde ich jedem Kritiker, und vor allem denen, die nie vor Ort waren, sagen: Bildet euch euer eigenes Bild. Seid mutig. Fliegt in dieses zauberhafte Land. Nehmt euch Zeit für atemberaubende Landschaften und noch viel mehr Zeit für die Menschen. Für Gespräche, ein gemeinsames Essen. Dort, wo die Einheimischen essen. Und solche Lokale finden sich noch leicht. Denn der Tourismus ist rudimentär. Saudi-Arabien ist noch eines der ursprünglichsten Länder, die Mann und Frau bereisen können. Ich gehe so weit zu sagen: auch als Frau alleine!