Es ist kurz nach Mitternacht. Ich bin sauer, wütend, aufgebracht. Stöberte online in diversen Zeitungen und landete bei der Süddeutschen. „Amtlich genehmigte Watschn“ lautet die Überschrift. Ich konnte nicht umhin, ihn zu lesen. Wohlwissend, dass dies die livianistische Gelassenheit auf eine schwere Probe stellen wird. Denn in der Schweiz sind Ohrfeigen erlaubt. Jedes zweite Kind im Alter von einem bis vier Jahren wird in der Schweiz körperlich bestraft. Aber es kam noch schlimmer. Ich musste mir noch die Kommentare auf Facebook antun. Antworten. Und geriet in Fahrt. Wenn ich schon diesen Dauerspruch „mir hat eine Ohrfeige auch nicht geschadet“ lese, bekomme ich Blutdruck mit Hyperventilation. Ja klar hat es euch geschadet – sonst würdet ihr doch solchen pädagogischen Schwachsinn nicht posten?!
Eine Ohrfeige richtet offensichtlich langanhaltenden Schaden an, anders lässt sich so ein Spruch nicht erklären. Natürlich schadet jeder Schlag einem Kind. Er vernichtet Urvertrauen. Zeigt ihm, dass es richtig ist, sich mit Gewalt durchzusetzen. Diese Gewalt gibt das Kind im Kindergarten, der Schule, als Erwachsener weiter. Denn die Ohrfeige schadet ja niemandem … Wie hilflos muss ein Mensch sein, wenn er es nicht schafft, sich gewaltlos gegenüber Schwächeren zu behaupten? Erst schlagen sie ihre Kinder und dann sind sie erbost, wenn diese sich auch gegen Gleichaltrige mit Gewalt durchsetzen. Schon mal über die eigene Vorbildfunktion nachgedacht? Eine Ohrfeige ist immer die Hilflosigkeit eines Stärkeren und ich wünsche allen Eltern, Lehrern und Nichtdenkern, die jemals zuschlagen, dass sie diesen Schlag eines Tages mal zurückbekommen, von ihrem später erwachsenen Opfer. Damit sie wissen, was sie ihm angetan haben. Hah, Schreiberling ist ja selber nicht besser?! Doch, wer auch nur ein klitzekleines Bisserl Verstand im Kopf hat, versteht, wie absurd das ist. Natürlich wünsche ich das niemandem!
JEDER Mensch hat ein Recht auf gewaltfreie Kommunikation. Warum sollten wir die Maßstäbe, die wir als Erwachsene ansetzen, bei unseren Kindern aushebeln? Wie schwach und hilflos müssen Erwachsene sein, dass sie sich an Kindern derart vergreifen? Wahre Stärke zeigt sich darin, dass man mit Worten der Überzeugung überlegen ist. Aber das ist natürlich viel anspruchsvoller und nicht jedem gegeben. Dafür nehmen wir in Kauf, Menschen ins Leben zu schicken, die lernen, wie es ist, als Unterlegener körperlich erniedrigt zu werden. Das geben sie eines Tages weiter, an ihre Kinder und behaupten dabei: „mir hat die Watschn auch nicht geschadet“ – doch hat sie und Generationen danach ebenfalls. Das macht nicht jeder, aber bereits das Verharmlosen einer Ohrfeige ist für mich ein Zeichen der Verrohung.
Ach ja – was auf die Ohrfeige zutrifft, gilt auch für Anschreien und Dauergemotze. Zu köstlich amüsierte ich mich heute über eine Mutter im Supermarkt, die ihr Kind anbrüllte, dass es nicht brüllen soll. Schade, dass der Zwerg noch nicht stark genug war zu sagen: „Mama, ich spiegel dich doch nur. Du bist mein Vorbild, was du mir vorlebst, nehme ich mir zu Herzen So wie du möchte ich auch mal werden!“
Uff, ich versuche es jetzt mal mit schlafen. Das musste raus!
Guuds Nächdle, vor allem in die Schweiz!