SkolioseFahrer und AsphaltTiefFlieger

Meine Leidenschaft für Allradantrieb und technische Spielereien ist ja hinlänglich bekannt. Autofahren ist für mich Entspannung, am liebsten sitze ich alleine in meinem Liebling, fahre gemütlich Richtung Ziel, singe dabei in höchsten und schiefsten Tönen, so dass der Nachbar an der Ampel schon mal verstört rüberschaut. Zu gerne beobachte ich dabei selber andere Autofahrer und eines fällt mir zunehmend auf: der körperliche Verfall unserer männlichen Jugend! Ich bin entsetzt, wie viele junge und noch mit Attraktivität gesegnete, in der Blüte ihres Lebens stehende Burschen zwischen 18 und knapp 30 unter schwerer Skoliose leiden. Ich werfe mit Fremdwörtern um mich, Asche auf mein Haupt, lassen wir zunächst Wikipedia schlaumeiern:

„Skoliose (altgriechisch: σκολιός, skolios „krumm“) ist eine Seitverbiegung der Wirbelsäule bei gleichzeitiger Rotation (Verdrehung) der Wirbel, welche nicht mehr durch Einsatz der Muskulatur aufgerichtet werden kann. Die Wirbelsäule bildet dabei in der Regel mehrere, einander gegenläufige Bögen, die sich kompensieren, um das Körpergleichgewicht aufrechtzuerhalten (S-Form). Eine Skoliose kann bei allen Wirbeltieren einschließlich Fischen vorkommen. Die Skoliose beim Menschen wurde erstmals schon in der Antike vom griechischen Arzt Hippokrates beschrieben und behandelt. Der Cobb-Winkel (nach John Robert Cobb) dient als Maß für die Beurteilung der Skoliose.“

Oder auf Leichtdeutsch übersetzt: „Dein Rücken ist krumm wie ein Buslenker“.

Aber zurück zu den Bürschlein mit Schiefkreuz: Wie ich auf diese These komme? Das ist keine These, sondern eine Tatsache! Fahren Sie mal hinter einem aufgemotzten GTI, tiefergelegten GSi, Böhse-Onkelz-beklebten-mattschwarzen A3 und schauen hinten durch die Heckscheibe: 66% der Fahrer sitzen mittig zwischen Fahrersitz und Beifahrersitz, der Kopf des Fahrzeugführers schwebt nur wenige Zentimeter über der Gangschaltung, der linke Arm weit ausgestreckt und völlig verkrampft mit Klauenpfötchen auf dem Lenkrad. Ich bewundere diese krummgewachsenen und kleinwüchsigen Geschöpfe Gottes, die es da noch schaffen, mit den Äuglein durch die Windschutzscheibe zu lugen und dabei sicher ihre Asphaltschleifer durch die Straßen zu manövrieren. Die Theorie, dass sich der Fahrer seiner attraktiven Beifahrerin widmen könnte, greift hier nicht – zu viele Skiolosegeschädigte sitzen allein am Steuer und die Hand auf das Knie der Holden könnte er auch im geradegerichteten Wirbelsäulenzustand legen. Es muss somit eine schwere Rückgratverkrümmung vorliegen. Ich weiß, wovon ich rede, als Linkshänder mit einer fürchterlichen Sauklaue dank verkorkster Schreibhaltung bin ich auch etwas schief im Kreuz. Nicht schlimm, zumindest nicht so schlimm, dass ich freiwillig zur Wirbelsäulengymnastik gehe, sondern diese Zeit lieber beim Weiberstammtisch sinnvoll nutze. Außerdem geh ich nun auch straff auf die 40 zu, da bekennt sich frau zu den ersten körperlichen Unzulänglichkeiten … Egal, der Anblick der Jugend von heute bereitet mir Sorgen.

Es gibt ja noch eine ganz vorsichtige und vage, vierte Theorie: Irgendein Irrglaube erschuf sich aus einer nicht aufzuhaltenden Gruppendynamik. Man stelle sich vor, dass der erste überaus attraktive Schiefrückenfahrer namens Kevin tatsächlich an schwerer Skoliose litt. Die anderen wussten nichts davon, beobachteten den verwachsenen Anblick und stellten fest: „Boah, sieht der endcoolgeil aus!“ Und eine Sympathiewelle mit besagter Gruppendynamik ward geboren. Von diesem Tage an beschlossen 2/3 aller autofahrenden Bürschlein Ihren Coolheits-, Attraktivitäts- und Sympathiefaktor vermeintlich zu steigern, indem sie Kevin nachahmten … Mein Verstand ruft hier: „Stopp, das kann und darf doch nicht wahr sein!“

Wie dem auch sei … Die unglaublichsten Therapien schwirren auf dem Markt herum, um der Wirbelsäulenverkrümmung Herr zu werden. Sie reichen von nie endenwollender, voll peinlicher Rückengymnastik bis hin zum Dauertragen eines Korsetts. Es soll ja Zeitgenossen geben, die dem vielleicht etwas fetischstylisches abgewinnen können, aber die Mehrheit der Verkrümmten würde beides wohl eher als Strafe empfinden. Und hier findet sich mein Lösungsansatz – wer vor die Wahl gestellt wird – Geradeuncoolsitzen oder Dauerpeinliches Korsetttragen – der offenbart vielleicht freiwillig die Ursache seines Bildungs- oder Haltungsschadens. Ich rätsle dann nicht mehr ewig herum, wenn ich hinter einem aufgemotzten GTI, tiefergelegten GSi oder Böhse-Onkelz-beklebten-mattschwarzen A3 im Schritttempo schleiche, weil dieser seine Riegerfrontstoßstange mit 0,5cm Bodenfreiheit übers Pflaster trägt.

Genüsslich habe ich mich ja über die asphalttieffliegenden Skoliosefahrer ausgelassen. Allerdings fällt mir bei genauerem Überlegen auf, dass der Bericht schon recht einseitig war und unzählige weitere Schubladen meines Autofahrerdenkens außer acht ließ, denn es gibt ja noch weitere Spezialisten auf vier Rädern:

Scheibenknutscher

Es gibt zwei Arten von Scheibenknutschern. Die einen sind diese hässlichen Welse im heimischen Spießeraquarium, denen einzig und allein die Aufgabe obliegt, die dreckige Scheibe von Algen zu befreien. Die andere Spezies ist zumeist weiblich und menschlich: Man soll ja immer mit was Positivem anfangen, bevor man über andere herzieht. Wer hinter einem Scheibenknutscher auf der Rückbank sitzt hat maximale Beinfreiheit! Fast könnte man auf die Idee kommen, in einem Auto zu sitzen, welches gar keinen Fahrersitz hat. Scheibenknutscherfahrer testen nämlich zunächst, wie weit man den Fahrersitz nach vorne schieben kann. Aufhören muss man, wenn der Sitz nach vorne hin ausrastet, Bauch und Fettgewebe sich schmerzhaft ins Lenkrad bohren und man mit dem eigenen Knie in der Nase bohren kann. Dann hat der Scheibenknutscher sein Ziel erreicht: er, oder zumeist sie, berührt mit der Nase die Frontscheibe. Es ist mir ein Rätsel, wie Autofahrerin so ihren Stadtschleicher lenken kann, aber es muss gehen, denn von dieser Art tummeln sich unzählige Lenkerinnen auf dem Asphalt. Da Scheibenknutscherinnen glauben, akkurate Autofahrerinnen zu sein, könnte hier eine Extralektion bei einem geduldigen Fahrlehrer Abhilfe schaffen. Der Effekt, beim Autofahren wieder atmen zu können, könnte dazu führen, einsichtig die folgenden Shoppingfahrten in entspannter 10-vor-2-Lenkradhaltung zu absolvieren. Aber Achtung, nicht dass der Effekt gegenteilig wird, eine ganz gefährliche Spezies ist nämlich der

Daumenlenker

Unendlich cool, wie die buckelkrumme Hexenmuhme, den Sitz auch bis zum Anschlag, allerdings nach hinten – das ist der Daumenlenker. (Dem gnadenlosen Kritiker meiner schreiberischen Ergüsse sei es an dieser Stelle ausdrücklich gestattet, mich aufzuklären, wie man diese verdammte Hexenmuhme/Hexenmumme/ Hexenmume korrekt schreibt.) Der größtmögliche Abstand zwischen Hühnerbrust des jungschen Fahrers und Lenkrad führt dazu, dass nur noch der Daumen das Lenkrad zum sicheren Steuern des Fahrzeuges erreicht. Diese Fahrweise zeugt von extremer Unreife und schwerer Amnesie, denn der Fahrlehrer wäre bei dem Anblick schier ausgetickt. Heilungschance? Extrem hoch! Nur ein leichter Auffahrunfall reicht und Coolio in Hüfthose auf Kniekehlenhöhe bricht sich den Daumen, oh wie gemein … Zwei gebrochene Daumen und Mutti muss bei der Körperpflege helfen. YEAH, was für ein Kopfkino vom Feinsten!

Tacho-70-Fahrer

Es gibt Automobile, die werden nach oben gedrosselt, bei 407 km/h ist so der Bugatti Veyron Grand Sport abgeregelt, wer will schon 1001 PS ausfahren? Wieder andere Kfz schaffen gerade so die 25. Aber die lustigsten Drosselkutschen sind die 70er Kisten: Ich bin mir nicht sicher, ob diese Autos überhaupt beschleunigen oder bremsen können, aber eines können sie ganz gewiss: 70 Kilometer in der Stunde fahren, egal wann und wo! Spielstraße, Landstraße, Autobahn, Ortseingang und Ortsausgang, Einbahnstraße verkehrtrum, Rückwärtsgang. Ich bin nun wirklich kein Freund von Blitzern und Radarfallen, aber für diese Spezies Mensch auf vier Rädern wünsche ich mir den roten Flash in der 30er Zone. 160 Euro, drei Punkte und ein Monat Fahrverbot, oh ja bitte!

Maximalrücksichtsvolle Lenker

Wenn vor mir der nette Herr und Endsiebziger mit Hut im Schritttempo schleicht, weiß ich, was mir blüht und ich blättre auf der Navi den Weg schon mal vor: Wo sind die langen Geraden, auf denen ich bald und zügig überholen kann. Nichts gegen Rücksichtnahme im Verkehr, jeder in seiner Geschwindigkeit, jeder wie er es kann, aber auch hier gilt: HALLO, ihr seid nicht alleine auf der Welt oder Straße und es gibt Mitbürger, für die ist Zeit auch noch Geld! Landstraßen erlauben für gewöhnlich 100 Kilometer in der Stunde, 110 kann man locker fahren, danach drohen Radar und anderes Ungemach. Unter 75 werde ich nörgelig und wenn der gute Zeitgenosse vor mir dann auch noch den Anker wirft, voll in die Eisen steigt und den Traktor auf der nichtüberholfähigen Landstraße vom Feldweg mir vor die Nase tuckern lässt … Durchatmen Livia und Mugge suchen, die beruhigt!

25er Fahrer

Welcher Wahnsinn hat den Gesetzgeber dazu getrieben, Autos mit 25 km/h Höchstgeschwindigkeit auf die Straße zu lassen? Das sind für mich die größten Gefahrenherde überhaupt. Die dürfen auf Landstraßen fahren, obwohl andere dort locker 100 drauf haben. Unzählige Male stand ich in einer Kriechschlange und dachte, da fährt ein Knirps aus der Zwergengruppe der Kita Bummi mit seinem Bobbycar. Selbst ein Radfahrer ist hier in der Lage, das schneckenlahme Gefährt zu überholen. Ich habe nichts gegen Mitbürger mit Handicap, im Gegenteil, aber ich wüsste zu gerne, ob mal statistisch erfasst wurde, wie hoch das Risiko ist, einen gedrosselten Fiat Panda gepflegt mal anzuschubsen.

Multitaskingfahrer

Hui, rotes Tuch. Meine höchstpersönliche Baustelle: Multitaskingfahrer sind permanent gelangweilte Zeitgenossen, die nur im Schlafen dazu in der Lage sind, sich auf eine Sache zu konzentrieren und bei allen anderen Tätigkeiten im Wachzustand den Hirn- und Bewegungsbrummkreisel aktivieren. Ungezählt sind die Tätigkeiten, die das Autofahren ergänzen: NIE würde ich natürlich zugeben, beim Autofahren jemals auch nur mein Eierfon berührt zu haben. Aber zulässige Handlungen wie Essen, Trinken, Freisprechen, Singen, Mugge hören, Selbstgespräche führen, Text im Kopf vorschreiben, Fluchen, Navi einrichten, Bordcomputer checken, Kaugummi suchen, Terminkalender auf dem Beifahrersitz lesen, Brille aufsetzen, Jacke an der Ampel fix ausziehen … Drei bis vier Dinge gehen locker pro Fahrt und die Quittung folgt irgendwann in Form eines Knutschers am Heck des Vordermannes. Wenn dieser ein schnuckeliger Zeitgenosse ist, kann es durchaus kontaktfördernd sein, aber die eigene Erfahrung zeigt, das ist die Ausnahme und ne verdammt teure Investition in Mr. Perfect. Internetplattformen und klassische Kontaktaufnahmen mit dem anderen Geschlecht erscheinen mir erfolgsversprechender. Somit gelobe ich Besserung und höre nur noch Musik, unterbrochen vom Gebimmel der nuschelnden Freisprech- einrichtung.

Meine auserkorenen Lieblingslästerverkehrsopfer sind und bleiben aber die Skoliosefahrer.

Sollte dem geneigten Leser noch der eine oder andere Autofahrerschubkasten einfallen, den es an dieser Stelle zu erwähnen wert wäre, ich freue mich auf Vorschläge und werde diese gerne aufnehmen. Mit fallen ja noch einige ein: Radarfallensammler, notorische Linksfahrer, Lückenspringer, Zweimeterabstands- halter, Parallelfahrer, Kuschelviehchauffeure, …

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