Verliebt ins Leere Viertel

Ich bin verliebt. In die Schönheit des nichts. Ins Empty Quarter. Kein Name könnte passender für die Rub als Khali sein. Niemand lebt hier mehr – es ist die größte zusammenhängende Sandwüste der Welt mit den höchsten Dünen der Welt. Ungefähr 500 mal 1300km und bis zum 400m hoch. Unvorstellbare Ausmaße zwischen dem Oman und Saudi.

Es braucht Vertrauen, sich fremden Menschen anzuschließen und 100km Offroad ins Nichts zu fahren. Die Einfahrt in die Rub al Khali entschädigt sofort: Schnell werden die Dünen über 100 Meter hoch und es wird still. Im Auto. Nur noch Staunen. Man kennt diesen Anblick von Bildern, und doch können weder Bilder noch Worte beschreiben, was das mit einem macht, wie klein und nichtig man sich fühlt und wie sehr man realisiert, wie machtlos man im Anbetracht dieser unfassbar schönen und doch so lebensfeindlichen Natur ist. Jeder hat sicher so sein Platz in der Natur, in dem er sich geborgen und geehrt fühlt. Für die einen ist es der Wald, für die andern die Berge. Für mich sind es ganz klar die Wüste und das Wasser. Beides sind ja irgendwie auch Wüsten für sich.

Nach endlosen Pisten kreuz und quer durch den Sand und auf kaum zu erahnenden Pisten aus Stein landen wir endlich im Camp – zwischen den Dünen. Noch vor dem obligatorischen Kaffee oder Tee MUSS ich die Dünen rauf. Und wenn der weise Omani in der Wüste , sagt, ‚Mädchen, nimm den langen Weg’, dann vertraue ihm!

Auf meiner ersten Dünenbesteigung musste ich natürlich auf omanischen Esel machen und habe mir den kürzestem Weg gesucht. Direkt den Wüstenkamm hinauf. Mit ein bisschen mitdenken wäre mir klar geworden, dass das vermutlich keine gute Idee ist. Und es hat sich tatsächlich angefüllt, dass ich den Kilimandscharo besteigen muss. Ich habe fast die doppelte Zeit der Einheimischen gebraucht. Beim nächsten Versuch war ich dann deutlich gelehriger. Genau in die Fußstapfen der Locals. Und siehe da, es läuft sich deutlich besser. Die Söhne der Wüste wissen nämlich genau, wo der Sand wie Pulver und nahezu unbegehbar ist und wo man zumindest einen Hauch von Halt findet.

Und doch ist es unfassbar, wie anstrengend 100 Höhenmeter sind. Ich habe immer wieder gepumpt wie ein Maikäfer und bin zum Teil fluchend auf allen Vieren hoch. Was auch nicht viel geholfen hat. Man geht einen halben Schritt vor und rutscht gefühlt einen viertel Schritt zurück. Nur langsam lässt sich so eine Düne erklimmen. Und so langsam bekomme ich eine Ahnung davon, was es bedeutet, eine Wüste zu durchqueren. Eigentlich unvorstellbar zu Fuß. Es ist eine enorme KraftAnstrengung. Allerdings nur Berg auf. Bergab ein gigantischer Spaß. Hätte nicht mein heiliges Eierfon in der Tasche gesteckt, wäre ich die Düne heruntergekullert.

Was ich an solchen Plätzen liebe: Sie sind einfach unberührt von der menschlichen Hand, und man sieht nichts von den unserer Existenz. Ein Windhauch und unsere Spuren sind weg. Nichts riecht nach Mensch. Kein Haus verschandelt die Landschaft. Einfach Hunderte Kilometer lebensfeindliches und doch so tief berührendes NICHTS. In dieser Stille schreit die erste Stimme am lautesten. Dieser zu lauschen. Auf sie zu hören. Und sie manchmal auch zu ertragen. Das ist mein Antrieb. Das Nichts reinigt die Seele, lässt Gedanken und Sorgen verfliegen.

Einfach zum staunen: Ein Skarabeus krabbelt lautlos durch die Dünen. Ich erkenne die Spur des Geckos und erahne Spuren von Schlangen. Skorpione sah ich auch schon. Wüstenfüchse klingen ein bisschen wie jammernde Kätzchen.

Später die kühle Stille der Nacht, die atemberaubend ist. Ein wunderbar tiefer und unendlich intensiver Schlaf. Intensive Träume. Ein SternenHimmel, wie man ihn sonst nur auf hoher See sieht. Die Milchstraße, Sternschnuppen. Die Erinnerung an: Wie finde ich den Nordstern? Gut zu wissen, dass ich tatsächlich weiß, wie ich wieder in die Zivilisation alleine finden würde. Vermutlich brauche ich 3-5 Tage für die 100km bis zum ersten Dorf am Rande der Rub al Khali. Einfach immer nur nach Süden.

Der nächste Tag führte noch tiefer zwischen die Dünen. Mit zwei Autos natürlich und die brauchte es: zweimal gnadenlos festgefahren und man kam nur auf Brettern wieder raus und ein platter Reifen… drei Stunden heizten wir zur nächsten Oase. Über Dünen, Schotterpisten. Und schnell verwarf ich meinen Wunsch, auch mal fahren zu wollen. Es ist eine unfassbare fahrerische Leistung. Die Kupplung stinkt immer wieder mitleiderregend. Mehrfach setzen die Stoßstangen auf. Eine brach sogar.

Kleine Lektion am Rande im AllRadfahren. Ich bin zwar nicht gefahren, musste aber natürlich die Herren ausquetschen (mit gutem Grund: Ich bin Deutsche, ich liebe Autos, das wurde verstanden). Also. 1-1,5 bar werden abgelassen. Der Verbrauch steigt damit um ein Viertel. Und diese Kisten brauchen ja eh schon locker 12 l. Schaut ziemlich flach aus, der Reifen. Und man muss etwas vorsichtiger fahren. Keine kleinen Schleifen. Sonst rollt sich das Schätzchen schon mal von der Felge und wird mit Feuer wieder draufgezogen (ask Google, es geht!) Man fährt nur größere Kurven. Und dann gibt es auch noch die Herausforderung, wie man über eine Düne kommt. Alles eine Wissenschaft für sich. Am besten fährt man die Dünenkante in Serpentinen an und nimmt sie nicht direkt. Die Gefahr ist so groß, dass man genau oben aufsetzt oder einen großen Sprung macht. Und doch muss man gut kalkulieren. Man braucht ja auch gepflegt Speed, in Serpentinen reduziert dieser sich wieder. Und dann ist es auch noch eine Frage des Radabstandes. Je größer der Radabstand umso schwieriger die Navigation, umso besser auf plattem und tiefen Sand. Meine Hochachtung nach diesem Ausflug vor der fahrerischen Leistung war gigantisch.

Genau 48 Stunden später war es leider Zeit für den Rückweg. Wieder 100km Piste (wahrlich kein Vergnügen) und 150km Straße. Zurück in Salalah. Voller Gewissheit: Die nächste Chance muss ich wieder nutzen. In der Wüste schlafen, Dünen erklimmen, am Lagerfeuer sitzen und „Tell us a story“ reihum zelebrieren. Während der Maiskolben in Feuer ein bisschen zu schwarz und umso köstlicher wird. Und irgendwann, vielleicht, fahre ich doch mal so ein Schätzchen. Theoretisch kann ich es ja schon 🤣

Wer es erleben mag:

Wärmstens empfehle ich einen Ausflug mit Suhail Al Mahri (WhatsApp +968 9948 1877). Eine exklusive private Tour, tief in die Wüste. In ein sicheres Camp mit komfortablen Beduinenzelten, Dusche (!), WC und Verpflegung. Inklusive ist die Milchstraße, ein wunderschöner Abend am Lagerfeuer und Geschichten aus dem Leben im Oman.

Shukran Suhail Al Mahri 🙏🏾

One Comment

  1. Walter Bromme

    Wünsche Dir eine gute Zeit mit vielen schönen Momenten und Begegnungen

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