Latenter Rassismus

Überall fehlt es an Geld. Die Erzieher fühlen sich unterbezahlt. Die Lokführer streiken für mehr Lohn. Marode Brücken wollen saniert werden. Der Zustand der Straßen erinnert eher an einen Flickenteppich… Milliarden von Euro müssten investiert werden um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Natürlich haben wir dieses Geld nicht. Aber wir haben einen Sündenbock. Wie wunderbar: Die Ausländer, ein wenig korrekter ausgedrückt: die Asylanten!

Heute früh schoss ein Artikel in der TA den Vogel ab: Die Erfurter Ortsbürgermeisterin fordert Abfallbehälter und Toiletten gegen „ekelhafte Zustände“ in Erfurts größtem Gewerbegebiet. LKW-Fahrer, die dort verweilen, hinterlassen dort ihre „Andenken“. Auf Facebook wurde sofort ein Lösungsansatz präsentiert: Man solle doch das Geld lieber in eigene Bedürfnisse, statt in die Asylbewerber investieren.

Merken diese Polemiker eigentlich, dass sie sich auf die Spuren der 1930er Jahre begeben? Da waren es die Juden, die für alle Sünden herhalten mussten. Latenter Hass baute sich auf, der soweit führte, dass Millionen Menschen umgebracht wurden! Zu weit hergeholt? Ich weiß es nicht, aber ich bin entsetzt, wie offen und ungeniert Ausländerfeindlichkeit bis hin zum Rassismus wieder Platz in unserer Sprache und damit auch in unserem Denken und Handeln Platz findet.

Das Boot Deutschland ist voll? Fachkräftemangel, ein Überangebot an Ausbildungsstellen, Pflegenotstand und die Demographie sprechen da aber eine ganz andere Sprache! Wer mal ein volles Boot sehen will, sollte sich die Fotos von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer ansehen. Oder die Flüchtlingslager rund um die Krisenherde der Welt. Oder Zahlen wie: Auf 1000 Libanesen kommen 257 Flüchtlinge im Land (in Deutschland sind es 2!). 

Dafür können wir uns aber diese Asylanten nicht leisten, Ausländer kosten uns zuviel Geld, wir müssen uns erst mal um unsere eigenen Probleme kümmern?! 2012 zahlte jeder in Deutschland lebende Ausländer durchschnittlich 3300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben als er an staatlichen Leistungen erhielt. Insgesamt sorgten die 6,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass so für ein Plus von 22 Milliarden Euro.

Wir hätten offensichtlich eher ein Problem, wenn wir unter uns blieben. Natürlich gibt es kriminelle Zugereiste. Es gibt aber auch kriminelle Deutsche. Natürlich können wir erwarten, dass sich Gäste hier benehmen, das gilt aber auch für uns, hier und anderswo …

Mich entsetzt der tiefsitzende, latente Rassismus in den Köpfen. Menschen werden bereits wegen ihrer Herkunft in Schubladen gesteckt: DIE Russen, DIE Türken. Warum? Was maßen wir uns an? In fast 200 Ländern dieser Welt sind auch wir Ausländer. Sind wir was besseres, weil uns das Schicksal zufällig auf deutschen Boden auf die Erde purzeln ließ? Kamen wir nicht alle als zuckersüße kleine Babys irgendwann und irgendwo mal auf die Welt?

Wir können nichts für den Ort unserer Geburt. Wir können auch nichts für unsere Erziehung, für das System, in das wir geboren wurden. Wir sind doch einfach nur Menschen, die das gleiche Bedürfnis haben: Nach einem Leben in Frieden und Sicherheit. Chancen zu geben wird diesen Frieden stiften. Misstrauen bewirkt eher das Gegenteil.

Je mehr Menschen die Chance erhalten, einen Fuß ins Leben zu bekommen, zu arbeiten, sich weiterzubilden, sich zu integrieren, umso besser wird es uns gehen. Gerade mal 1 Prozent der Weltbevölkerung ist deutsch, also nehmen wir uns mal nicht so wichtig, oder?

Sonne im Herzen!

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