Wunsch nach Werten

Genau 20 Jahre ist es her. Da schwitzte ich bei ähnlichem Wetter über den Abiturprüfungen. Fieberte den letzten Tag herbei. Wollte endlich einen Strich machen. Unter 12 lange, mehrheitlich ungeliebte Jahre. Endlich ins Leben jetten. Mich entknittern und entfalten. Die Welt entdecken. Die Zukunft erobern. Und gleichzeitig war ich hilflos. Zu viele Möglichkeiten boten sich. Im Ausland jobben. Eine Lehre machen. Studieren. Nichts wollte mir so recht in mein Leben passen. Und die Berufe, die mich interessierten waren hoffnungslos überlaufen von Bewerbern. So schrieb ich mich zwei Jahre an der Uni ein. Nutzte die Zeit aber eher um zu jobben und das hart verdiente Geld in Reisen zu investieren. Nach 24 Monaten siegte die Vernunft und eine Beamtenlaufbahn erschien vernünftig. Mit Vernunft durchgezogen und mit letzter Kraft zum Abschluss gebracht. Ein lange und mühsamer Weg folgte. Familie, Ehrenamt, Beruf.

Bis sich die Frage endlich mal ernsthaft stellte: Was willst du eigentlich? Ich wusste, ich will schreiben. Ich wusste, ich kann fotografieren. Also wurde ich Journalistin und nun sind es über vier Jahre, die ich in diesem Beruf arbeite. So viele spannende und aufregende Menschen durfte ich kennenlernen. Geschichten erzählen. Von Schicksalen erfahren, die das eigene Ich in neues Licht rücken. Ein Traumjob. Ganz sicher. Mit der Zeit relativiert sich der Traum. Journalisten zählen zu den am wenigsten geachteten Berufen. Und Freiberufliche zu den ganz besonders mies bezahlten. Rekordhalter bleibt eine große Tageszeitung: 5 Euro für einen Artikel, 5 Euro fürs Bild. Aufwand: 3 Stunden und 30 km! Da unterstellt das Finanzamt zu Recht eines Tages Liebhaberei. Aber auch Diebstahl geistigen Eigentums kommt vor. Da werden Texte 13fach in allen großen Medien veröffentlicht, nur meine Autorenkennung und das Honorar blieben aus … So etwas erzeugt einen unglaublichen Frust.

Viele Journalisten flüchten sich dann in die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Verdingen sich als Auftragsschreiber. Ob man davon leben kann, ist eine häufig gestellte Frage. Ja, man kann. Aber der Preis ist hoch. Die eigene Kreativität ist dem Wunsch des Auftraggebers unterzuordnen. Damit mag man noch leben können. Denn Kunde ist König. Und gelernte Journalisten wissen zumeist, wie Texte geschrieben sein sollten, damit sie auch veröffentlich werden. Das kollidiert nicht selten mit den Vorstellungen, die Betriebswirtschaftler, Juristen oder Geschäftsführer davon haben, was sie in rechtem Licht erscheinen lässt. Reden und Kommunizieren soll ja da helfen. Nicht immer, aber zumeist.

Und manchmal komme ich an den gleichen Punkt wie vor 20 Jahren. Und bin doch einen Schritt weiter, denn ich weiß, was mir liegt.

Aber was ist der Sinn meines Daseins? Was schaffe ich an Werten? Mit Beständigkeit?

Mitunter habe ich das Gefühl, dass es mehr bringt, der Nachbarin ein paar frische Brötchen vom Einkauf mitzubringen, als einen Text in einer Zeitung zu platzieren. Denn das eine schafft zwischenmenschliche Nähe und das andere?

Ich weiß es nicht.

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