Es ist kurz vor Weihnachten. Ich bin echt verzweifelt! Alle Geschenke sind gekauft, das Meiste sogar schon liebevoll verpackt. So kann die kleine Stöberbande rätseln, was der Weihnachtsmann bringt, wenn sie vermeintlich heimlich durch die Kellerräume tigert und Kartons so lange durchschüttelt, bis das erzeugte Geräusch etwas über den Inhalt verrät.
Aber so weit sind wir noch lange nicht. Endspurt in der Zunft der Schreiberlinge und die Themenjagd zum Jahresende erzeugt immer wieder eine Mischung aus Frust und Verzweiflung. Besonders beliebt sind bei mir solche Sätze wie: „Die Themen liegen doch auf der Straße“. Da fahr ich locker 30.000 Kilometer im Jahr auf diesen verdammten Pisten durchs Land und mal ehrlich: Wer hat dort bitte schön jemals ein Thema liegen sehen? Dieses journalistische Highlight machte bisher immer einen großen Bogen um mich!
Ein Kollege hatte mal dieses unverschämte Glück. Sein Thema lag mal (fast) auf der Straße. Besser gesagt neben der Straße. In Form von Müll und einem Herren, der sich diesem annahm. Besagter Journalist fuhr also die B88 nahe Langenhain. Er sah einen vornehm gekleideten Mann, der die Straßengräben vom Dreck anderer Fahrer befreite. Das Gespräch mit dem Mann verlief beeindruckend: Als Durchreisender tat er dies regelmäßig, weil er sich über die Unvernunft der reisenden Zunft ärgerte. Was für eine schöne Geschichte?! Zu gerne würde ich einen solchen Bericht auch mal von der Straße lesen, den edlen Müllsammler porträtieren. Ein wenig tröstete es mich, dass dieser Herr sich vehement dagegen verwehrte, in der Zeitung zu erscheinen und drohte, sein gutes Werk dann nie wieder unsereiner zugute kommen zu lassen, wenn Schreiberlinge es wagen würden, ihn abzulichten. Artikel ohne Foto? Kannst du knicken!
Nun ja, immer noch nicht weiter! Guter Ratschlag ist hier nicht mal teuer, für Geld lassen sich zwar die aktuellen Themen bei Nachrichtenagenturen einkaufen, aber keine Geschichten aus dem Leben, dem Landkreis, der gute Seele von nebenan. Über Menschen, die spannend sind, aufregend, authentisch. Ein Leben leben und lieben, welches uns fesselt, worüber wir lesen möchten.
Angeblich kann man sogar aus der Rassegeflügelschau in Kleinkinkerlitzchenhausen einen Leitartikel mit 7500 Zeichen zaubern, der sogar Egon Erwin Kisch zu einer hochdotierten Preisverleihung genötigt hätte. Vermutlich kann man sich sogar Entengrütze schön schreiben.
Aber will ich das? NEIN!
Ich mag vor allem diese Überraschungstermine. Erfahrungsgemäß sind die Treffen, vor denen es mir graut oder die mir Respekt einflößen, die Volltreffer. Aus einem Gespräch wird ein roter Faden, schon im Interview schreiben die Gedanken erste Sätze. Ich kann es dann kaum erwarten, endlich vor den Tasten zu sitzen und dem Schreibfluss zu frönen. Ja, das erfreut des Schreiberlings Herz! Menschen, die mich beeindrucken, eine ganz besondere Ausstrahlung haben, die einfach anders sind, etwas zu erzählen haben. Begegnungen, die mich wieder spüren lassen, warum ich diesen Beruf wählte. Aber wo sind diese Geschichten? Ich suche sie, würde sie gerne finden! Es geht nicht. Es will nicht. Motivation im Keller. Themen im Nirvana.
Nichts findet sich oder ist anderweitig passend!
Naja, wenigstens einen Blog hatte meine Verzweiflung hervorgezaubert …
Und ich pack nun das letzte gelandete Weihnachtspäckchen für die Stöberbande ein. Und ich erfreu mich an dem Gedanken, wie vermeintlich heimlich dann im Keller geraschelt und gerüttelt wird, um dem immer noch unbekannten Inhalt auf die Spur zu kommen.