Bereits früh, kurz nach dem Aufstehen, bietet sich ein sehenswertes Fensterkino beim Blick in die Straßen zwischen den Hochhausschluchten: Hacketütendicht, mit lächerlicher Kopfbedeckung, die Lumpensammlung von Oma angezogen und nen klapprigen Handwagen mit kistenweise Lebertankstoff an der Hand. Gruppen von fünf bis zehn Männern ziehen durch Jena Lobeda. Endstation Satelit. Satti genannt, eine stadtbekannte Säuferstation. Das Bier und der Schnaps billig, die Kerle verwahrlost. Einige stolpern bereits Schritt für Schritt so vor sich hin, sind Alkoholexzesse dieser Art nicht gewöhnt. Die Pegelsäufer trainieren ihre Stimmbinder, singen und labern hirnfreien Blödsinn. Frauen, die sich an diesem Tag auf die Straße wagen, sind unwissend, selber randvoll abgefüllt oder verzweifelt genug, sich freiwillig von einer angehenden Schnapsleiche anbaggern zu lassen. Familienväter, die unterm Scheffel der Holden stehen und sich einem solchen Trupp nicht anschließen, werden gnadenlos dämlich angemacht. Mitte der 80er Jahre. Kindheit in Jena. Männertag war damals ein für Kinder überaus lohnender Tag. Großzügig wurde von Fremden Eis und Fassbrause spendiert und unzählige Schnapsleichen vergaßen ihre Pfandgläser zu einer Ostmark wieder abzugeben oder überließen uns diese großzügig, die Beine hätten sie eh nicht mehr getragen. Knapp dreißig Jahre später gestehe ich, dass ich an solchen Tagen bis zu 20 Ostmark zusammengesammelt habe. Meine Eltern wussten vermutlich nichts davon, nun schon …
Und heute? Der Blick aus dem Fenster lässt mich in den sattgrünen Thüringer Urwald blicken. Ein gemütliches und schier ewig langes Frühstück bis in die Mittagsstunden mit meinen Burschen. Auf den Wanderwegen rund um Tabarz unzählige Familien mit Kindern, Radfahrer und ganz vereinzelt mal ein paar Männertrupps, zumeist mit Rucksack auf dem Rücken auf großer Tour. Aus vielen Gärten erschnuppert die Nase glühende Holzkohle und gegrilltes Thüringer Nationalgut. Nur ein paar Halbstarke posen mit Bierflasche in der Hand und Fluppe im Mund. Wie sich doch die Zeiten ändern.
Auch wir satteln die Räder und suchen an der Laucha Bärlauch. Bärlauchpesto soll es geben, einfach zu lecker aufs Brot, in die Butter, zu Käse, ins Salatdressing oder als Marinade für Fleisch und Fisch:
Eine Handvoll Pinienkerne in einer Pfanne rösten und abkühlen lassen Dazu 100 g frisches, gut gewaschenes und abgetropftes Bärlauch mit
2 Knoblauchzehen,
120 ml Olivenöl und
5 Esslöffeln Parmesan, alles mit Salz und Pfeffer sehr gut pürieren.
In saubere Gläser abfüllen und im Kühlschrank gut ein paar Wochen haltbar.
Lecker! Und auch eine Art, den Männertag rumzubringen. Außerdem ist der Nachmittag verregnet genug, um ihn zwischen Abwasch und Mixer zu verbringen.
Meine Jungs werden wohl nie einen Männertag kennenlernen, wie ich ihn jahrelang aus Zeiten meiner Kindheit in Erinnerung habe. Gut so, wer braucht schon Schnapsleichen, wenn er einen Tag in Familie und mit kulinarischen Gaumenfreuden haben kann.