Technik, die begeistert

Irgendeine genetische Fehlpolung führte Mitte der 70er dazu, dass ich weiblich und technikvernarrt auf die Welt kam. Schon von klein an strafte ich sämtlichen Mädchenkram wie Babypuppen, Kuschelviehzeugs, bezaubernde Kleidchen und rührselige Märchenbücher mit gnadenloser Ignoranz. Dafür widmete ich mich den aufregenden Dingen des Lebens: Die Autos meines Bruders wurden bis auf die letzte Schraube auseinandergenommen, mit dem Puppenwagen fuhr ich Rennen (Piloten waren die streunenden und verängstigten Katzen der Nachbarschaft), mit meinen Kumpels Ronny und Alex kokelte ich, knüppelte Kastanien von Baum und nervte die Nachbarn mit Klingelpartys.

Dies entwickelte sich für mich als Heranwachsende zu einem echten Problem: Irgendwann beschlossen „meine Jungs“, dass Mädchen doof sind und ich gehörte nicht mehr in ihre Clique. Und den Mädels in meinem Alter war ich schon immer suspekt: Mein Interesse an Make-Up, schicken Klamotten und Bravopostern tendierte immer noch gen Null. Meine Idole hießen John Lennon, Janis Joplin und Jim Morrison und waren zu tot, um sich diese noch an die Wand zu pappen. Was für eine Jugend. Kaum Freunde, die mich verstanden und die ich verstehen konnte. Mit 14 durfte ich endlich das erste Mal in den Sommerferien arbeiten und setzte den Verdienst sofort in einen C64 um. Ich war beschäftigt und pflegte Brieffreundschaften mit anderen Commodore-Freaks.

Mit zunehmenden Alter wurde es einfacher. Meine Affinität zu Autos, Motorrädern und der Technik im Allgemeinen wurde nicht mehr belächelt, sondern im Idealfall respektiert. Mädels musste nicht mehr die Jungs fragen, wenn ihr Walkman ausstieg und die Jungs konnten so langsam auch wieder was mit mir anfangen.

Meine technischen Spielereien heißen heute „Lieblinge“ und das sorgt nicht selten für Verständnislosigkeit oder amüsiertes Lächeln. Aber das ist mir egal, ich steh dazu: Ja, ich liebe mein Mäusekino! Was andere fast respekt- und achtlos mit „Eierfon“ titulieren, erfreut mein Herz. So viel technischer Schnickschnack, der ausprobiert und getestet werden will. Bedienungsanleitungen lesen? Fehlanzeige! Es wird so lange daran rumgespielt, bis ich des Rätsels Lösung gefunden habe oder ich tiger stundenlang durch Online-Foren und finde dort die Hilfe. Nie vergesse ich den Moment, als das Paket mit der neuen Kamera vor mir lag. Andächtig, mit klopfendem Herzen, ganz langsam, wurde die heilige Handlung vollzogen: AUSPACKEN! Die Kartons fein säuberlich aufgereiht, jeder Schritt der Auspackens mit der alten Kamera dokumentiert. Ja, erklärt mich für verrückt, ich werde nicht verraten, dass mir solche Momente sogar Tränchen in die Augen treiben können. Der Höhepunkt der Verzückung ist jedoch mein liebstes Kind (nach meinen Söhnen natürlich!): Auf vier extra breiten Rädern, zweifarbig-schnittig beklebt, mit adaptivem Kurvenfahrlicht, zuschaltendem Allradantrieb, Off-Road-Assistent und, und, und … Ach jaaaaa. Wenn Liebling in der Werkstatt zum Räderwechseln auswärts parkt oder ein kleiner Kratzer sein makelloses Antlitz verunziert, blutet mir das Herz. Meine euphorische Wiedersehensfreude beim Anblick von „Liebling“ erntet zwar nicht immer Verständnis beim Werkstattmeister, aber das ist mir egal, ich kann den Moment feiern und zwar richtig! Der prickelndste Moment ist übrigens die Einsicht nach „oh verdammt, bin ich dem Wunderwerk der Technik überhaupt gewachsen?“: Ich weiß, dass ich schon ganz andere technische Herausforderungen gemeistert habe und das neue Spielzeug ist dann einfach nur schöööööön und wird langsam und mit viel Freude an der neuen Technik erobert.

Und ich kann eines dadurch ganz sicher: Menschen, die anders sind, anders sein lassen. Egal, wofür wir uns begeistern, ob es mädchenuntypisch, Weiberkram oder Männerspielzeug ist: Entscheidend ist und bleibt, sich überhaupt begeistern zu können und niemandem damit zu schaden!

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