Es war einmal eine kleine Motte. Die flitzte zwischen November und Februar jeden Morgen ans Fenster. Schaute hinaus und wartete. Wartete auf den ersten Schnee und der Jubel war groß, wenn er endlich fiel.
Mit mahnenden Worten der Eltern wurden dann die dicken Sachen herausgekramt. „Zieh ein Unterhemd an“ geschickt überhört. In Eile in die Sachen geschlüpft. Und ein Zipfel vom Shirt schaute immer raus. Manchmal dachte die Motte sogar an die dicken Socken, mitunter musste ein Handschuh reichen, der zweite verschwand zu gerne im IrgendNirgendwo. Egal, bloß raus, vor die Tür! Den Schlitten mit einer grünen aufgedröselten Wäscheleine hinter sich hergezogen oder die (wer erinnert sich noch daran?) Gleitschuhe an den immerfeuchten Winterstiefeln.
Was hatte die Motte für’n Spaß mit den Dingern: An die Schlitten der Freunde gehängt und ohne Rücksicht auf Verluste die Jenaer Hügel herunter gesaust. Nicht selten bremsten uns erst Zäune oder gar eine Straße. Jeder von uns Winter-Wilden hatte irgendwann deshalb eine gepflegte Schramme am Kinn oder den Augenbrauen.
Der Geheimtipp unter den Schneemotten war aber die stinknormale Plastetüte. Einfach unter den Pops gelegt eigneten sie sich wunderbar zum Präparieren der Pisten, um danach mit Skiern oder Gleitschuhen die Grenzbereiche kindlicher Koordination zu testen.
Ungefähr 30 Jahre später fällt mein Blick aus dem Fenster. Wie schön der
weiße Schnee glitzert! Alles schaut strahlend und sauber aus. Und aus dem Wald wagen sich die Rehe bis ans Grundstück, scharren unterm Schnee nach verborgenen Leckereien.
So viel Schnee gab es für mich als kleine Motte damals selten. Stunden verbrachte ich in meinen zehn Tabarzer Jahren schon mit Schippen und Fluchen. Steckte mit dem Auto fest. Lernte das Fahren mit Schneeketten, weiß Allrad und Bergabfahrhilfe zu schätzen. Und noch viel mehr die netten Menschen, die einfach so geholfen haben, so manche Schneemassen zu bewältigen.
Gerade schau ich hinaus. Zwei Motten, etwas älter als ich damals, balgen sich im Schnee. Ein Zipfel Shirt schaut unter der Winterjacke raus. Schneeweiß und durchnässt sind die Beiden. Eine Schramme am Kinn und zwei Narben über ́m Auge und an der Lippe zeugen von wilder Verbundenheit zwischen Mutter und Sohn. Sorgengedanken fragen sich: Haben die Jungs die dicken Socken an, sind die Füße nass, wo hat der Kerl schon wieder den zweiten Handschuh hinverbummelt … Und ein Grinsen legt sich über das Gesicht … Wie sich doch die Zeiten gleichen.
Kurz vor Heiligabend ist die Hoffnung wie immer die gleiche – wird es eine weiße Weihnacht? Tage mit Menschen zu verbringen, die mir am Herzen liegen, zaubert sie aber auch so hervor, die Sonne im Herzen.