Alle Jahre wieder

Alle Jahre wieder … Ursprünglich ein scheinheilig-segensreiches Liedgut aus dem 17. Jahrhundert. Aber mitunter scheint es, dass selbiges nur die jährliche allgemeine Verzweiflung in der Vorweihnachtszeit einläuten soll:
Alle Jahre wieder finden wir im August die ersten Dickmacher-Lebkuchen, Pure- Sünde-Dominosteine und 700-Kilokalorien-auf-100-Gramm Stollen in den Regalen. An sich ist es ja nicht so dramatisch, denn wann hatten wir schon mal einen Sommer? Gefühlt sind die doch immer verregnet! Also ist es auch nicht so bikinifigurschädigend, wenn unmittelbar an den letzten vertilgten Schokohasen die Hüftgoldweihnachtsmänner vertilgt werden.

Alle Jahre wieder ist die Adventszeit die Zeit journalistischer Verzweiflung: Nichts fürchtet der motiviert-engagierte Schreiberling mehr als den 125. Artikel über den Weihnachtsmarkt in Kleinkleckersdorf. Und wenn dann der CvD (Chef vom Dienst) auch noch Ansprüche stellt wie „nicht immer die gleiche Grütze“, „mach mal was Außergewöhnliches“ oder „nicht so ein austauschbares Zeugs“, dann baut das schon mächtig Druck auf. Was finden wir denn auf diesen besagten Märkten außer Tetrapack-Glühwein, Adventsnippes und selbstgebackenen Plätzchen vom Heimatverein St. Kinkerlitzchenhausen? Allein die Überschrift ist schon ein Graus. Das Witzigste, was einem da so in den Sinn kommt ist „Bier, Bratwurst und Budenzauber“. Wenigstens eines Alliteration ist also drin, oh wie einfallsreich.

Alle Jahre wieder beginnt der Geschenkestress zum Sommerende. Ab dem 1. September schwirrt es einem im Hinterkopf und der Vorsatz steht: In diesem Jahr wird alles anders! Beizeiten wollen wir Geschenke horten. Nicht erst bis Heiligabend warten. Mit Zeit und Muse durch die Tempel der Konsumlust ziehen. Und? Wer hat kurz vor dem ersten Advent seine Siebensachen in aufgebügeltes Papier aus dem letzten Jahr verpackt. Wenn überhaupt, dann sind das die Frauen, denn:

Alle Jahre wieder stürzen sich die Vertreter der männlichen Zunft in kollektiver Selbstaufgabe und panischer Verzweiflung am Heiligabend um 10 Uhr in die Parfüm-, Schokoladen- und Gutscheinabteilungen von Karstadt, Müller Douglas und Co.. In der linken Hand zerren sie ein plärrendes Balg hinter sich her, in der rechten Hand das Handy um sich von Mama Tipps geben zu lassen, worüber sich die Holde wohl zu Weihnachten freuen könnte. Der fällt am Telefon nur 4711 Echt Kölnisch Wasser als Geschenk für die Frau von Welt ein. Zum Glück stehen Dutzende zwillingsgleiche, bezaubernde Douglas-Verkäuferinnen mit dem immer gleichen Botox-festgezurrten Lächeln im Gesicht parat. Geschickt verkaufen sie 100ml-Flakons zu Preisen von 5- Sterne-Wellnesswochenenden. Und der Mann an sich ist dankbar, doch noch DAS Geschenk ergattert zu haben. Nach einer scheinbaren Ewigkeit an der Kasse kommt es zum Höhepunkt des testosterongeplagten Einkaufsmarathons: Eine bezaubernde, schüchterne, mit langen blonden Haaren und noch längeren Beinen bestückte Studentin der Sozialwissenschaften wickelt schweigend mit einem sanften Lächeln das edle Wässerchen in blassblaues Papier mit gedrehter Schleife und dem seit Jahren immergleichen Douglas-Aufkleber.

Alle Jahre wieder motzt die Holde über den viel zu schiefen, dünnbeästelten und mickrigen Weihnachtsbaum vom IKEA-Parkplatz, der den 5-Sterne-Vorwerk-Teppich schon vor dem ersten Advent mit Nadeln verunziert.
Alle Jahre wieder packt der Holde mit nahezu perfekt vorgetäuschter Begeisterung (ja, Männer können das auch!) die Produkte der chinesischen Textilindustrie, The-xte- Best-of-this-Year-CD und das 8. Handbuch für Hand- und Heimwerker aus.

Alle Jahre wieder feiern wir unser Heiligabend so wie wir es kennen-, lieben-, und manchmal auch hassengelernt haben. Wir brauchen unsere Rituale, sie vermitteln uns Sicherheit, Geborgenheit. Weihnachten läutet die letzte Woche des Jahres ein. Lädt ein zur Ruhe und Besinnlichkeit und wer weiß eigentlich, was Advent bedeutet? Ankunft! Und auch wenn auf den ersten Blick auf meine Lästerzeilen das Bild täuschen könnte. Ich liebe die Adventszeit. Über Märkte schlendern. Leckermäulchens Begehrlichkeiten nachgeben. Mit Freunden gemeinsam einen Glühwein trinken und sich mörderisch die Zunge verbrennen. Mit der Familie im Warmen sitzen, bei Kerzenschein, ruhiger Musik und mit einem heißen Kakao in der Hand, während draußen die ersten Flocken fallen. Und zu wissen, dass alle Geschenke tatsächlich schon vor dem ersten Advent gekauft, manche sogar schon verpackt wurden, führt tatsächlich zu adventlicher Gelassenheit, Ruhe und Einkehr.

Alle Jahre wieder kann Heiligabend dann der Tag werden, der es eigentlich sein sollte – der Tag der Ankunft. Ankommen bei sich und miteinander. Zeit füreinander haben. Etwas Leckeres essen. Sich Aufmerksamkeit schenken. Nichts ist kostbarer und kann noch mehr von Herzen kommen! Und das ist immer wieder auch mein größter Wunsch an diesem Tag.

Alle Jahre wieder …
Dann kommt mal gut an im Advent, mit ganz viel Sonne im Herzen! Geht denn nun die Welt unter?

Erinnert ihr euch noch an die Adventszeit 2012. Ein drohender Weltuntergang beherrscht die Medien und die Köpfe. Wichtigste Frage war: Lohnt es sich überhaupt Weihnachtsgeschenke zu kaufen, wenn am 21. Dezember die Welt sowieso untergeht?

Apokalyptische Wahnvorstellungen begleiten uns durch unsere Menschwerdung und ob wir uns nun endlich und wirklich auf das Ende unsere Tage vorbereiten müssen, analysiert die Frage: Geht denn nun die Welt unter?

Schon seit Jahrtausenden mutmaßt die Menschheit, wann unser Planet endlich dem Untergang geweiht ist: Der erste Verdacht kam sicher bei diversen Himmelserscheinungen auf. Wenn sich die Sonne verdunkelte oder ein Komet Richtung Erde raste, konnte unter den Urmenschen, Steinzeitianern und Neandertalern bestimmt schon mal Panik aufkommen. Aber irgendwann siegten vorzeitmenschliche Vernunft und wissenschaftliches Halbwissen, so dass eine Sonnenfinsternis nicht mehr das apokalyptische Ende aller Tage bedeuten musste. 

Psychopaten mit einem fatalen Hang zu Macht und Dominanz mussten sich seitdem immer wieder neue esoterisch angehauchte Schauermärchen einfallen lassen und gründeten zahlreiche Panikmacher-Geheimbünde und Erlöser-Scheinkirchen. Auch im Buch der Bücher, damit meine ich die Bibel, nicht den Duden, finden sich beeindruckende Untergangszenarien für Gottlose: „ Aber aus Mutwillen wollen sie nicht wissen, dass der Himmel vorzeiten auch war, dazu die Erde aus Wasser, und im Wasser bestanden durch Gottes Wort; dennoch ward zu der Zeit die Welt durch die dieselben mit der Sintflut verderbt. Also auch der Himmel, der jetztund ist, und die Erde werden durch sein Wort gespart, dass sie zum Feuer behalten werden auf den Tag des Gerichts und der Verdammnis der gottlosen Menschen.“ (2. Petrusbrief Kapitel 3). Fragt sind, wie wir überhaupt gottlos sein können, wenn wir alle Gottes Kinder sind? Nun ja, in tiefenreligionswissenschaftliche Grundsatzdiskussionen verstricke ich mich bei der theoretischapokalyptischen Beweisführung hier mal lieber nicht. Biblischen Prophezeiungen folgten zahlreiche Weltuntergangsvisionen von Montanus, Hippolytus, Mönch Abbo von Fleury, Papst Sylvester II., Radolf Glaber, Johannes von Toledo, Joachim von Fiore. Sogar Martin Luther und Christoph Kolumbus reihen sich in die Liga der Panikmacher ein. Im 20. Jahrhundert folgten Verwirrte, Verblendete und Verpeilte wie Davidaner, Charles Manson, Charles Tayler, die Bhagwhans und Uriella. Nostradamus-Bescheidkenner finden in fast jeder Hieroglyphe des Apothekers ein neues todsicheres Datum des ErdenEndes.

Ohne Heizung und Sonnenlicht lebten 65 Mitglieder einer russischen Sekte, darunter fast zwei Dutzend Kinder, mehr als zehn Jahre lang in einem unterirdischem Bunkersystem. Ihr Oberguru, ein 83-jähriger muslimischer Prediger namens Faisrachman Satarow untersagte seinen Jüngern, das Gelände zu verlassen, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen und medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Den Behörden drohen die Jünger mit dem Weltuntergang, nachdem der Bunker durch ein Sondereinsatzkommando im August 2012 geräumt wurde. Die Kinder mussten intensivmedizinisch betreut werden und kamen in ein Waisenhaus. Erwachsene wurden wegen Missbrauchs angeklagt … Eines der dunkelsten Kapitel aus dem Reich der Apokalyptiker.

Die Zeugen J. finden bis heute alle paar Jahre ein neues Datum für den Weltuntergang und erhoffen sich so die Rekrutierung neuer sterbens-panischer Hirnwäscheopfer.

Mormonengründer Joseph Smith verkündete am 14. Februar 1835: „Das Kommen des Herrn ist nahe, es sollen noch 56 Jahre bis dahin vergehen.“ Die Jahre, die der Herr nun schon auf sich warten lässt, vertreiben sich die Mormonen mit Vielweiberei. Was bleibt da einem auch anderes übrig, wenn Rauchen und Saufen verboten sind.

Doch in wenigen Wochen wird es ernst! Der Maya-Kalender endet!
Und zwar am 21. Dezember 2012.

Ganz besonders gewitzte Zeitgenossen sind erleichtert – es erspart ihnen die Jagd auf die Weihnachtsgeschenke. Wieder andere hoffen, dass sie Weihnachten nicht mit der buckligen Verwandtschaft feiern müssen. Mit einer Mischung aus Ernst und Ironie dominiert das Thema mittlerweile sogar die Tagespresse. Vergangenen Mittwoch las man in einer großen Thüringer Tageszeitung die Umfrage: „Bereiten Sie sich auf den 21. Dezember vor?“ Die Befragten nahmen es zumeist mit Humor und wollten vorrangig shoppen gehen.

Als gute Journalistin und mit einer Einskommanull in Recherche musste ich mich dem Thema nun intensiver widmen – Was ist denn nun dran am Weltuntergang?

Und ich fand spannende Aussagen vom weltbekannten deutschen Maya-Spezialisten Professor Nikolai Grube (veröffentlicht im August 2008 in Mysteries). Er kennt eine noch unbekannte uralte Inschrift, die Grabtafel des Maya-Königs Pascal, auf der von einem Herrscher im Jahre 4772 nach Christus die Rede ist.

Wie jetzt? Ich denke, die Welt geht unter? NEIN!

Es bricht doch nur ein neues Zeitalter an! Der Kalender der Mayas beginnt mit dem 21.12.2012 neu, dauert wohl um die 5128 Jahre laut Grube. Es gibt auch kein besonders aufregende Planetenkonstellation und aktuelle Naturkatastrophen deuten sich gerade nicht an. Grube beklagt diesen gerade stattfindenden Medien-Hype (Quelle http://www.campus-web.de/3/1937/12396/)

Auch andere wissenschaftliche Quellen wie der Ethnologe Sven Gronemeyer, die US- Raumfahrtbehörde NASA und die BLÖD-Zeitung sagten die Apokalypse offiziell ab.

Beruhigt bin ich ja eigentlich nur, dass an dem Tag nirgendwo Wahlen stattfinden. Man stelle sich vor, da kündigt irgendjemand die Niederkunft eines neuen Gottes an und Angie, Barack oder Cameron stellen sich gerade zur Wahl. Dann hätten wir wenigstens einen echten Grund zur Panik.

So bleibt uns wohl nur die Einsicht: Um das Weihnachts-Panik-Shoppen kurz vor Heiligabend kommen wir wieder mal nicht umhin und mit der buckligen Verwandtschaft müssen wir der Ankunft des Heilandes gedenken. Und so schwarz malt die Bibel die Welt nun auch nicht – Gott sagt schließlich von der Erde: „Sie wird auf unabsehbare Zeit oder für immer nicht zum Wanken gebracht werden“ (Psalm 104:5).

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