Wohin rast die Zeit?

Mitte des Jahres. Geht es euch dann auch so beim Blick auf den Kalender: Wo ist bloß das Jahr geblieben? In wenigen Tagen ist Sommersonnenwende. Die Sonnenstunden werden dann täglich kürzer. Ich fange da schon fast an, dem Sommer hinterherzutrauern, der noch nicht einmal angefangen hat. Wo ist der Frühling geblieben? Schenkte ich der blühenden und erwachenden Natur ausreichend Beachtung? Erinnere ich mich an alle Glücksmomente der ersten Jahreshälfte, ohne im Tagebuch danach zu suchen? Die Zeit rast gefühlt davon. Aus Stunden werden Tage, Wochen, Monate und Jahre. Immer wieder gibt es Momente im Alltag, die einem vor Augen führen, wie die Zeit vergeht. Wenn ich Kinder von Bekannten nach Monaten wiedersehe, erschrecke ich und frage mich, ob meine Lütten auch so schnell wachsen.

Im Gespräch mit Freunden erfahre ich, dass es ihnen auch so geht und ich stelle fest: Je älter wir werden, umso schneller rast uns gefühlt die Zeit davon.
Für Kinder sind sechs Monate eine unglaublich lange Zeit. Für deren Eltern fühlen sich diese sechs Monate an wie ein paar Wochen. Die Großeltern glauben, dass dieses halbe Jahr fast wie paar Tage dahin rast. Woher kommt diese gefühlte Zeitverschiebung? Wir verbringen ein gleichlanges Zeitfenster und für jeden fühlt es sich anders an, proportional sinkend zum steigenden Alter. Ist das nicht erschreckend? Bis zu unserem 65. Geburtstag glauben wir doch alle, dass wir dann endlich unsere Rente auskosten und genießen werden. Dann haben wir Zeit für die schönen Dinge des Lebens: Reisen, Kochen, Genuss, Freunde … Ist es tatsächlich so? Oder werden wir eines Tages feststellen: Das Leben ist davon geflattert. Wir hofften immer nur auf eine Zeit, in der wir endlich Zeit zum LEBEN finden. In dieser Hoffnung verlernten wir im Jetzt zu leben.

Ich glaube zumindest die Antwort zu kennen, warum sich die erlebte Zeit so unterschiedlich anfühlt: Für ein 6-jähriges Kind ist ein halbes Jahr auf seine Lebenszeit gerechnet eine unglaublich lange Zeit. Kinder füllen ihre Zeit anders aus. Sie haben noch Zeit für Muse, können ohne Handy in der Tasche im Gras liegen und vor sich hinträumen, die Zeit vergessen, kennen kaum Termindruck und wenn, dann wird dieser durch uns Erwachsene verursacht. Ihr Müßiggang ist auch ihr gefühlter Zeitgewinn.

Die nächste Generation ist dauerhaft beschäftigt: Familie, Arbeit, Freizeitstress und was erschreckenderweise immer mehr Einzug im Leben hält: Wir sind immer und überall erreichbar. Wir präsentieren uns online, twittern und posten den eigenen Status, den Ort des Sein, unsere Befindlichkeiten und Launen. Manch einer hat Hunderte Freunde und Followers. Wie viel Zeit verbringen wir damit uns zu präsentieren oder den Status anderer zu kommentieren? Was wissen wir wirklich von diesen „Freunden“, gewährten sie uns einen Einblick IN ihre Herzen oder nur AUF die Fassade des Alltags? Ist dies vergeudete Zeit oder einfach die neue Form zwischenmenschlicher Kommunikation?

Ich mag es einfach nicht glauben!
Gemeinsam im Garten zu sitzen, schlemmen, schwatzen, scherzen, lachen, sich in die Augen zu schauen, den Kopf auf eine Schulter legen zu können – das ist durch nichts zu ersetzen!

Unsere Eltern oder Großeltern sind vom Online-Wahn noch nicht so infiziert, sie nutzen zumeist keine Smartphones, um sogar an der Ampel oder im Supermarkt fix in die E-Mails oder in soziale Netzwerke zu schauen. Dennoch rast auch ihnen die Zeit davon. Die Erklärung könnte simpel sein: Auf 65 Lebensjahre gerechnet, erscheinen ein paar Monate verschwindend kurz, so dass sie sich auf Lebenszeit gerechnet fast bedeutungslos anfühlen.

Ich blättere durch den Kalender des Jahres. So viele schöne Momente durfte ich erleben. Viele fühlen sich an, als wären sie eine halbe Ewigkeit her. Mit dem Blick auf meine Notizen entstehen wieder die Bilder vor meinem geistigen Auge. Ich kann innehalten und die Momente in Gedanken wiederbeleben. Es ist nicht der Ort, der im Gedächtnis bleibt, an den ich mich erinnere, sondern das Gefühl, welches dieser Ort in mir auslöste, die Menschen, die bei mir waren, lange Gespräche, die in die Tiefe gingen und etwas in mir bewegten – ein kleiner Schubs auf dem eigenen Lebensweg.

Solche Inseln im täglichen Leben gilt es zu schaffen. Können wir uns überhaupt noch ein Wochenende ohne Smartphone und Rechner vorstellen? Ein Versuch ist es allemal wert. Diese Zeit mit liebenswerten Menschen an schönen Orten zu verbringen, lassen die eigene Dauererreichbarkeit und den Postingwahn in der Bedeutungslosigkeit versinken. Vielleicht fühlt sich das Lebenstempo dann auch nicht mehr so schnell an. Auf jeden Fall hat man den Tagen mehr Leben geschenkt und vielleicht eine Erkenntnis gewonnen:

Im Jetzt zu leben, es auszukosten, zu genießen, innezuhalten und das zu tun, was einem Freude bereitet, das ist Glück im Leben!

Auf real gelebte LebensMomente!

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